Heinrich IV. - Der lange Schatten von Canossa

Autor: Dieter Heinrich

(Erstveröffentlichung in BRIEFMARKEN SPIEGEL Nr. 11/2009)

Es blieb dem kleinen Inselstaat Mikronesien vorbehalten, erstmals eine Briefmarke mit dem Bild des römisch-deutschen Kaisers Heinrich IV. herauszugeben. Die nationale Geschichtsschreibung hat diesem Herrscher die Buße von Canossa nie verziehen. Deren Schatten beschwor noch acht Jahrhunderte später Otto von Bismarck, als er in einer Reichstagsdebatte den Abgeordneten zurief: "Nach Canossa, meine Herren, gehen wir nicht!".

Der Mann, der im Januar des Jahres 1077 drei Tage im Büßergewand vor der norditalienischen Burg Canossa ausgeharrt haben soll, um vom Papst die Loslösung vom Kirchenbann zu erwirken, wurde am 11. November 1050 als Sohn Kaiser Heinrichs III. in der Goslarer Pfalz geboren.

Er war noch keine sechs Jahre, als sein Vater starb. Für den nach damaligem Brauch schon im frühen Kindesalter zum König gewählten und gekrönten Heinrich übernahm seine Mutter die Regentschaft. Diese wurde ihr von einer Clique machtgieriger Fürsten unter Führung des Kölner Erzbischofs Anno im Frühjahr 1062 entrissen. In der Pfalz Kaiserswerth lockten sie den jungen König auf ein Schiff und entführten ihn gewaltsam.

Das Kidnapping von Kaiserswerth wurde für Heinrich IV. ebenso zum Trauma wie das Goslarer Blutpfingsten 1063, als er ohnmächtiger Zeuge eines in Mord und Totschlag ausufernden Rangstreites zweier Kirchenfürsten um die Sitzordnung im Dom wurde.

Mit 16 Jahren übernahm er selbstständig die Herrschaft im Reich. Um sich eine Machtgrundlage zu schaffen, sucht er das verschleuderte Königsgut wieder in Besitz zu bringen. Er baute Befestigungen wie die Harzburg, die er mit ihm ergebenen Ministerialen besetzte, und gewann auch die Städte als Bundesgenossen. Den Judengemeinden stellte er umfassende Schutzurkunden aus.

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Im Staatsstreich von Kaiserswerth entführte 1062 Anno (der Stempel erinnert an seine Heiligsprechung 1183) den elfjährigen König und raubte die Reichsinsignien.

Von 1066 bis 1068 erbaute Heinrich IV. die Harzburg (Siegelbild des Königs)

Die Burgruine von Canossa.

Heinrichs großer Gegenspieler Papst Gregor VII.

Zu den überlieferten Rechten mittelalterlicher Könige gehörte die Einsetzung von Bischöfen, die damals zugleich weltliche Landesherren waren. Mit einem Verbot dieser sogenannten Laieninvestitur löste der 1073 auf den Papststuhl gelangte Gregor VII. einen Machtkampf mit dem Königtum aus. Heinrich IV. ließ den Papst durch eine deutsche Bischofssynode absetzen und wurde daraufhin von Gregor mit dem Kirchenbann belegt.

Für die oppositionellen Fürsten war dies ein gefundenes Fressen; hatte sie doch der Papst zugleich vom Treueid gegenüber dem Gebannten entbunden. Sie luden Gregor zu einem Fürstentag nach Augsburg ein, um über Heinrich zu richten. Das hätte das Ende für die Dynastie der Salier bedeutet.

Der König trat die Flucht nach vorn an, überquerte bei klirrendem Frost die Alpen und zog vor die Felsenburg Canossa, wo der Papst seine Reise unterbrochen hatte. Heinrich kannte die "Spielregeln" des Kirchenrechts. Nach Erfüllung der rituellen Vorgaben für eine Buße musste ihn Gregor, wenn auch widerstrebend, Absolution erteilen.

 

Heinrich IV. - Kaiser und Kämpfer

Doch der Papst trieb ein doppeltes Spiel und versuchte in der Folgezeit, zwischen Heinrich IV. und dem von einigen Fürsten als Gegenkönig gewählten Rudolf von Rheinfelden zu lavieren. Als er Heinrich schwach genug glaubte, sprach er 1180 erneut Bann und Absetzung über ihn aus.

Doch der Salier war eine Kämpfernatur. Durch eine auf Ausgleich bedachte Politik gewann er die Unterstützung der Fürsten und Bischöfe, setzte die Abwahl Gregors VII. und Wahl eines neuen Papstes durch und schlug nach dem Schlachtentod Rudolfs von Rheinfelden auch noch den nächsten Gegenkönig Hermann von Salm aus dem Felde. Mit der Kaiserkrönung durch Papst Clemens III. Ostern 1084 stand Heinrich IV. auf dem Höhepunkt seiner Erfolge.

Jetzt ging er daran, den Dom zu Speyer - die Hauskirche der Salier - neu zu gestalten. Die Bauleitung übertrug er dem Hofkaplan Otto, den er 1101 zu seinem Kanzler machte und 1102 das Bistum Bamberg übertrug. Als "St. Otto" begegnet er uns auf einer Sondermarke zum Jubiläum des Bistums Berlin.

Große Verdienste erwarb sich Heinrich IV. mit der Bekämpfung des Fehdeunwesens. Der 1103 in Mainz erlassene allgemeine Reichsfrieden drohte allen Friedensbrechern, gleich welchen Standes, peinliche Strafen an. Diese vom Adel nur widerwillig befolgte Friedenspolitik trug dem Kaiser viel Sympathie im Volke ein.

Dieses Friedens konnte er sich allerdings nicht lange erfreuen. Sein Sohn und designierter Nachfolger Heinrich V. empörte sich im Gefolge unzufriedener Fürsten gegen den Vater, nahm ihn unter Bruch des zugesagten freien Geleits gefangen und erzwang in der Ingelheimer Pfalz die Herausgabe der Reichsinsignien. Heinrich IV. gelang zwar die Flucht, doch ereilte ihn am 7. August 1106 in Lüttich der Tod.

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Otto von Bamberg war Dombaumeister und Kanzler Heinrichs IV.

 

In dem unter seiner Regierung geweihten und weiter ausgebauten Dom zu Speyer fand Heinrich IV. 1111 seine letzte Ruhestätte

 

Den Reichsinsignien fügte Heinrich IV. das Reichsschwert hinzu, dessen Scheide Bilder seiner Vorgänger von Karl dem Großen bis Heinrich III. schmücken.

 

In der Goslarer Pfalz kam Heinrich IV. zur Welt.

 

In Worms und Mainz hielt er bedeutende Reichsversammlungen ab.

 

Die Ingelheimer Pfalz wurde zum Ort seiner tiefsten Demütigung.

Heinrichs größte Widersacher, der machtgierige Anno von Köln und der von Zeitgenossen "heiliger Satan" genannte Gregor VII., wurden später heilig gesprochen. Den Tod Heinrichs IV. aber betrauerte das einfache Volk. Auf seinen Sarg legten die Bauern Saatkorn, sich davon Segen für eine reiche Ernte versprechend. Und im Kaiserdom zu Speyer liegt noch heutzutage manchmal eine Rose auf der Grabplatte des Kaisers, der einst nach Canossa ging.

 

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Die Salier-Ausstellung in Speyer und die Canossa-Ausstellung in Paderborn gaben einen Einblick in die Gegensätze und Umbrüche, die im 11. Jahrhundert die mittelalterliche Gesellschaft erfassten.